Warum mmopen?

Die Stadt Memmingen erfuhr in Ihrer Geschichte einen in Deutschland einzigartigen gesellschaftlichen Impuls. Er stammte aus der oberschwäbischen Bauernschaft des 16. Jahrhunderts und ist eine frühe Formulierung der Freiheits- und Menschenrechte, wie sie erst viel später, 1848, in der Paulskirche wieder aufgenommen wurde. Ein Gremium von 50 Vertretern hatte den Inhalt der Forderungen zusammengetragen. Der Memminger Laienprediger Sebastian Lotzer formulierte daraus „Zwölf Artikel“.

In Zwölf Artikeln wird eine beeindruckende Utopie gesellschaftlichen Zusammenlebens vorgeschlagen und eingefordert. Mangels anderer Referenzen orientiert sie sich stark an der Vision, die Christus in die Welt gebracht hat: dem Gebot der Liebe in aller Zwischenmenschlichkeit und im Umgang mit der Schöpfung. Selbstbewusste Grundsätze werden damals formuliert, Aufforderungen zur Verantwortung aller, die wir bis heute nur in Ansätzen realisiert haben. Dabei fehlt jeder Moralismus, stattdessen finden wir klare Rede vor.

» Ein kurzer Blick in die Zwölf Artikel

Die Artikel betreffen zentrale Lebensbereiche: Arbeitswelt, Ökonomie, Politik, Ökologie, Soziologie, Spiritualität.

Zum Thema Einkommen steht in ihnen eine wahrlich revolutionäre Aussage:
…denn ein jegliches Tagwerk ist seines Lohnes würdig.

Hier öffnet sich ein ganz anderer Maßstab, als ihn die Ökonomie anbietet. Zwar haben die Verfasser damals auf die Vergütung der männlichen Bauernschaft, für Feld- und Waldarbeit oder auch für Kriegsdienst abgezielt und nicht darauf verwiesen, dass auch die Bauersfrau für ihre Arbeit zuhause entlohnt werden muss. Dennoch hat diese Forderung nach der gerechten Verteilung des erwirtschafteten Ertrags bis heute nichts an Brisanz verloren. Schon sind wir bei einer Utopie unserer Tage, der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen, sowie der Frage einer angemessenen Teilhabe und des gleichen Lohnes für gleiche Arbeit.

Weitere Fragen, die die Zwölf Artikel aufwerfen:

Könnte das christliche Liebesgebot auch heute noch – oder wieder – als verpflichtende soziale Norm, als Grundeinstellung taugen, wie es diese Urväter fordern? Inwieweit könnte eine künftige gesellschaftliche Ethik aus dem Glauben oder einem überkonfessionellen Humanismus heraus entwickelt werden?

Wie sähe beispielsweise dann ein Bildungssystem aus, das ein selbstbestimmtes Individuum zum Ziel hat? Durch welche Interessen, durch wen würde es bestimmt? Wie sähe die Wirtschaftsorganisation eines Landes aus, die auf dem Primat der Liebe aufgebaut wäre?

Was bedeutet eigentlich für uns, die wir vergleichsweise gesichert in einer mitteleuropäischen Hochzivilisation leben, heutzutage Freiheit? Ist Konsumfreiheit, die Möglichkeit, alles zu kaufen wann immer wir wollen, schon wirkliche Freiheit? Welchen toxischen Freiheiten sitzen wir auf? Und auf wessen Kosten? Widersprechen sich Verzicht und Freiheit?

Was würde die Versammlung der Avantgardisten von damals heute fordern?

Vieles an Freiheit ist inzwischen erreicht, Vieles noch nicht. Teilhabe, Bürgerschaftlicher Dialog gelten heute als Mindestanforderung für Kommunen, wir verfügen über eine Rechtssprechung, die nicht mehr von Willkür geprägt ist, die Enteignung von Grund und Boden geschieht nicht mehr per Dekret, die Würde des Menschen steht im Grundgesetz an erster Stelle, auch wenn sie meist noch ein schöner Traum bleibt. Staatliche Verstöße gegen das Menschenrecht können inzwischen international eingeklagt werden, unabhängig davon, wo sie begangen wurden.

Und wir sprechen in weiten Bereichen mit.

Gleichzeitig wächst die Verantwortung von uns Bürger:innen, wachsam und geistesgegenwärtig zu bleiben. Vor uns liegt viel Arbeit an der Gesellschaft, also im Außen, aber gleichermaßen in unserem Inneren. Wie wollen wir eigentlich in Zukunft leben? Was will ich wirklich?
Hochinteressante Fragen!

In den Zwölf Artikeln der Freiheitsrechte taucht wiederholt und selbstbewusst das mittelhochdeutsche Wort MAYNUNG auf. Es scheint hier noch eine viel ursprünglichere Kraft auszustrahlen als die heutige ‚Meinung‘, die oft genug als schlecht durchdachter Reflex im Bedürfnis nach Selbstinszenierung daherkommt. Jedenfalls hat sie dann nichts mit individuell oder gesellschaftlich wirksamer Kreativität zu tun.

Denken wir über Freiheit nach, stoßen wir paradoxerweise sofort an Grenzen. Freiheit und Grenze hängen untrennbar zusammen, sie bedingen einander. Grenzüberschreitung, Grenzüberwindung sind Motoren für Entwicklung, auf individueller wie gesellschaftlicher Ebene. Auf beiden Ebenen muss aber auch die Wirkung des jeweiligen Handelns verantwortet werden. Selbst noch die Souveränität von Staaten bedarf der Beschränkung, sofern sie ernste Vorhaltungen zu Menschenrechtsverstößen als Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten werten.

Über all dem gewinnt man den Eindruck, dass Unfreiheit wohl nie restlos bezwungen werden kann, es kommt immer wieder neue nach. Ein Prozess, der uns in Bewegung hält.

Wege zur Freiheit zu finden und zu vermitteln ist die große Aufgabe der Zukunft.
Wie ist sie zu erreichen? Eine Frage, die uns, gerade weil sie so schwer zu beantworten ist, unmittelbar in die Praxis führt. Die beeindruckend selbstbewusste Haltung der damaligen Menschen ermutigt dazu.

Zu ihr möchten wir mit unserem Projekt mmopen einen Schritt beitragen.

Maynung entwickeln!
Freiheit verteidigen!

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01 | 2023